Bildung und Digitalisierung: Warum wir eine solide Grundlagenbildung brauchen

von Dr. Alexandra Hildebrandt

Spezialwissen braucht heute zusätzliches Breitenwissen

Zur größten Herausforderung im digitalen Zeitalter gehört das Meistern von Komplexität. Für die Schlüsselpositionen in der Wirtschaft braucht es deshalb Mitarbeiter, die über den Tellerrand hinaussehen und fähig sind, ihr Wissen vernetzt anzuwenden. Allgemeinbildung sollte deshalb nicht mehr naserümpfend als Qualifikationsmangel betrachtet werden. Deshalb wird eine Grundlagenbildung benötigt, um auch schon Kinder zu befähigen, Dinge und Sachverhalte richtig einzuschätzen und zu vernetzen. Spezialistentum führt dazu, dass Themen verengt werden und nur das in die eigene Forschung einbezogen wird, was der eigenen Meinung entspricht. Der bekannte Kalauer, dass der Spezialist immer mehr von immer weniger weiß, hat durchaus seinen tieferen Sinn. 

Reine Spezialisten mit einem tiefen Expertenwissen sind heute beispielsweise nicht mehr in der Lage, einer mechatronischen Produktentwicklung sowie den aktuellen Entwicklungen im Umfeld der Industrie 4.0 nicht zielgerichtet begegnen. Ihnen fällt der Blick für den ganzheitlichen Systemzusammenhang und die Kommunikation im Team schwer, weil ein gemeinsames Ziel- und Modellverständnis fehlt. Konstrukteure müssen Mechanik, Elektronik und Informationstechnik im entstehenden Produkt verstehen, deshalb können sie keine Spezialisten in allen Bereichen gleichermaßen sein. Sie müssen sich in Teams aus verschiedenen Kompetenzen zurechtfinden können.

Ein Fokus der Ausbildung sollte auf einem vertieften Technikwissen liegen, das über klassisches Lehrbuchwissen hinausgeht. Leider ist allgemeine Praxiserfahrung eine der Schwachstellen unserer ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge: Nicht nur Studenten bemängeln zu wenig praktische Erfahrungen im Studium, sondern auch Absolventen und Führungskräfte. Um die Probleme gemeinsam zu lösen, sollten Unternehmen ihre Verbindung zu den Universitäten und Fachhochschulen vertiefen.

Dual in die Zukunft

Wichtig ist, dass die Studenten bereits während des Studiums mehr Praxiserfahrung sammeln. Das sogenannte duale Studium vereint vollwertiges Studium (der Theorieanteil entspricht zu 100 Prozent dem des regulären Studiums) an einer Hochschule mit praktischer Unternehmenserfahrung. Es ist vor allem der hohe Praxis-und Wissenstransfer, der diesen Bildungsweg so nachhaltig und attraktiv macht.  So werden beispielsweise innerhalb der NEUMÜLLER Unternehmensgruppe regelmäßig Praktikumsplätze vergeben. Zudem wird hier kontinuierlich an der Schaffung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen gearbeitet. Zur Unternehmensgruppe gehören unter anderem die NEUMÜLLER Ingenieurbüro GmbH und die NEUMÜLLER Personalberatung Regina Neumüller e.K.. Spezialisiert ist sie auf die Rekrutierung von Fachkräften für Unternehmen.

Das inhabergeführte Familienunternehmen unterstützt Großkunden aus der Industrie, aber auch mittelständische Firmen, über die Personaldienstleistung – mit anschließender Gelegenheit zur Übernahme der Mitarbeiter durch die Kunden. Aktuell sind hier rund 300 Mitarbeiter beschäftigt – davon etwa 200 Ingenieure und Naturwissenschaftler. Als einer der größten regionalen Personaldienstleister in Franken, arbeiten wir jeden Tag daran, Jobsuchende und Unternehmen zusammenzubringen.

Seit dem Wintersemester 2011 werden hier duale Studenten der Fachrichtung Dienstleistungs-/Personalmanagement als zukünftige Leistungsträger ausgebildet. Die ehemalige Berufsakademie in Mosbach ist heute ein Standort der staatlichen Berufsakademie Baden-Württemberg. „Pro DHBW Mosbach“ wurde gegründet, um die Zukunftsentwicklung der Akademie und des dualen Systems zu fördern und für die Wirtschaft zusätzliche Fachkräfte- und Führungsnachwuchs auszubilden. Als Förderpartner beteiligt sich das Unternehmen an der Finanzierung von Informationsveranstaltungen und Material für Abiturienten, der Gewinnung von zusätzlichen Ausbildungsbetrieben durch die Akademie sowie an Projekten verschiedener Fachbereiche. Werner Neumüller, Geschäftsführer der GmbHs der Neumüller Unternehmensgruppe, war dort zeitweise als Lehrbeauftragter tätig.

Die berufliche Bildung muss aufgewertet werden

Die duale Ausbildung, die Zweiteilung der Lehre in die praktische Ausbildung im Betrieb und den theoretischen Unterricht an der Berufsschule, sollte Hochkonjunktur haben. Allerdings bevorzugen viele Abiturienten noch immer ein Studium, weil sie davon überzeugt sind, dass ihnen ein Uni- oder Fachhochschulabschluss eine bessere Karriere ermöglicht – doch das kann ein Trugschluss sein. Allein auf Akademisierung zu setzen greift zu kurz. Deshalb muss es auch um die Kernfrage gehen, wie junge Menschen motiviert werden können, anstelle eines Studiums eine Ausbildung als Option oder Vorstufe zu wählen.

Weiterführende Informationen:

NEUMÜLLER Unternehmensgruppe

CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag. 2. Aufl. Berlin, Heidelberg 2020.

„Wir sollten die Schulen umbauen“. Interview mit Anja Karliczek. In: DIE ZEIT (28.3.2018), S. 73.

Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.