„Creativity (b)eats Corona“: Das neue, kreative Normal

Wie sich Kreativität in Krisenzeiten ändert

von unserer Expertin Petra Sammer

Corona hat die Art und Weise, wie wir arbeiten verändert. Ganz besonders für Kreative in Marketing, PR und Unternehmenskommunikation. Angesichts der Pandemie stellt sich ohnehin die Frage, ob neue, innovative Denke jetzt überhaupt angebracht ist. Sollte man in Krisenzeiten nicht besser auf bewährte Routine vertrauen und sich auf Erfahrungswerte verlassen?

Dieser Rückgriff auf Bewährtes ist auch in normalen Zeiten ein wohlvertrautes Muster. Die Psychologinnen Jennifer Mueller und Shimul Melwani, konnten in ihrer ihrer vielbeachteten Studie „The Bias Against Creativity: Why People Desire But Reject Creative Ideas“ nachweisen, dass Mensch kreative Ideen zwar meistens wünschen, doch ist Kreativität tatsächlich selten willkommen.

Einer der wichtigsten Gründe für die ablehnende Haltung gegenüber Innovation ist in der Regel Angst. Angst, die Tom und David Kelley, Gründer der Agentur IDEO und Entwickler der Design-Thinking Methode sehr gut kennen. Denn die beiden unterscheiden gleich vier Ängste, an denen neue Ideen häufig scheitern:

  1. Die Angst vor Veränderung.
  2. Die Angst vor dem Unbekannten.
  3. Die Angst, sich zu blamieren.
  4. Die Angst, den ersten Schritt zu machen – und sich festzulegen.

Neue Ideen müssen sich – schon in normalen Zeiten – massiv gegenüber all diesen Ängsten und Bedenken zur Wehr setzten. Wie schwierig ist das erst in Pandemie-Zeiten, also jetzt. Je schwieriger die Zeiten, umso zäher wird die Ideensuche und umso geringer ist die Akzeptanz unkonventioneller Lösungen.

Dabei brauchen wir gerade jetzt dringend frische Denke. Im Marketing, in der PR und in der Unternehmenskommunikation – denn Corona hat auch dort die Spielregeln massiv verändert.

Sechs neue Spielregeln der Kreativität – in Zeiten der Pandemie

Wo Kreative in PR und Marketing in der Vergangenheit auf langfristige Strategien, Erfahrungswerte und gesundem Menschenverstand vertrauten, heißt es jetzt tagesaktuell agieren, kurzfristig und flexibel zu planen. Viele Regeln der herkömmlichen Ideenfindung sind derzeit außer Kraft gesetzt– und die Gesetze der Kreativität werden neu geschrieben. Sechs neue Spielregeln lassen sich jetzt schon erkennen:

  1. Widersprüche aushalten, statt zu versöhnen: War es früher die Aufgabe von Strategen und Kreativen, Widersprüche zu identifizieren und mit smarten Ideen aufzulösen, so müssen heute Gegensätze, Dualismen und Paradoxien registriert, aber vor allem unaufgelöst akzeptiert werden. Oft ist richtig oder falsch kaum zu unterscheiden. Unterschiedliche Meinungen stehen hart nebeneinander und haben jeweils ihre Berechtigung. Ziel neuer Ideen ist es daher oft nicht mehr, Gegensätze einzuebnen, sondern unterschiedliche Seiten auszubalancieren und gleichwertig zu berücksichtigen.
  2. Lernen in Echtzeit, statt auf Vertrauen auf Erfahrung: In der Vergangenheit konnten Kreative in Marketing und PR auf ihr Medienverständnis, ihre Zielgruppenkenntnis, auf Erfahrung und Intuition vertrauen. Oder eben auf eindeutige Ergebnisse der Marktforschung. Heute ist kein Verlass mehr auf diese Erkenntnisse und Erfahrungswerte aus der Vergangenheit. Die aktuelle Situation ist mit keiner anderen vergleichbar und sie wandelt sich ständig. Kreative müssen daher die Grundlagen ihrer Ideen kontinuierlich überprüfen und ständig das Undenkbare mitdenken. Aus „Think out of the box“ wird „There is no box anymore”.
  3. Co-Creation statt kreativer Einzelleistung: Die kreative Zukunft gehört dem Kollektiv. Wo früher einzelne Kreative durch intensives Nachdenken und geniales Kombinieren, außergewöhnliche Ideen hervorbrachten, braucht es heute mehr als nur einen talentierte Kreativen. Die Aufgaben, denen wir heute gegenüberstehen, sind so komplex – inhaltlich und formal- dass sie nur noch im Team bewältigt werden können.
  4. Ideen-Portfolio statt Big Idea: Kein Tag ist wie der andere. Die Regeln, Medien und Marktbedingungen ändern sich ständig. Kreative Lösungen müssen daher flexibel und agil sein. Früher suchten Kreative nach der großen “Big Idea”. Heute bauen sie besser auf ein kluges Portfolio kleiner, smarter Ideen, die sich jederzeit schnell anpassen lassen.
  5. Kreativität on the go – Schluss mit der Ideen-Fixierung: Nix ist fix. Besser mit einem „MVP“ (Minimal Viable Product) oder einer „MVI“ (Minimal Viable Idea) starten, als auf die „eine große Idee“ vertrauen. Besser Ideen laufend und in kleinen Schritten justieren und anpassen, als einmal alles verbindlich – und starr – zu definieren.

    Die wichtigste Veränderung aber, „dank“ Corona, ist auch die härteste:
  6. Verlieben Sie sich nicht mehr: Kreative kämpfen für ihre Idee. Sie tun alles, um Bedenken und Kritik aus dem Weg zu räumen und ihr „Baby“, ihre Idee zu verteidigen. Doch heute sollten wir vorsichtig sein mit „verliebten“ Plädoyers. Kreative müssen lernen, schneller loszulassen. Natürlich ist es immer noch notwendig, für eine gute Idee einzustehen, aber die Zeiten sind so unbeständig, dass eine Idee ganz schnell einfach passé ist. So irritierend es klingt, aber Kreative von heute dürfen sich leider nicht mehr so arg in ihre eigenen Ideen verlieben.

Corona verändert vieles – auch die Art, wie Kreative arbeiten. Aber in der Limitierung steckt auch eine (kreative) Chance. Und so werden einige dieser Veränderungen bleiben – auch wenn der Impfstoff da ist. Freuen wir uns darauf.